Das erste Mal. Das erste Mal in diesem Jahr. Das erste Mal in diesem Jahr bin ich in ganz kurzen Hosen los. Endlich wieder Luft an den Beinen – was für ein großartiges Freiheitsgefühl! Sanfter Wind, 10 Grad, Sonne… fantastisch. Gemeinsam mit Lotta Vitamin D getankt für Körper und Seele. Bin vor mich hingelaufen und habe gar nichts gedacht.
Wenn das doch den Rest des Tages so weitergehen könnte! Geht es aber nicht. Ich bin unsicher und mache mir Gedanken, nachts manchmal auch Sorgen. Sehe so viele unbekümmerte Menschen auf den Straßen. In den Läden. Nah beieinander, in großen Gruppen. Viele tragen einen Mundschutz, das schon. Aber sie verhalten sich als sei nichts. Als gebe es Covid 19 nicht. Als sei es plötzlich ungefährlich. Als sei es nicht mehr ansteckend. Auch sie haben Freiheitsgefühle…
Morgen beginnt Woche 9 dieser besonderen Zeit. Unser Jüngster ist seit neun Wochen nicht mehr im Kindergarten. Er hat seit neun Wochen seine Freunde nicht mehr gesehen. Acht Wochen lang hatte ich das Gefühl, dass ihn das nicht allzu sehr beeinträchtigt. Seit ein paar Tagen merke ich, dass es ihn immer mehr beeinträchtigt. Er spielt nur noch selten allein. Er ist ungeduldig. Er ist weinerlich. Er schläft schlecht ein. Er möchte eigentlich den ganzen Tag nur Geschichten hören oder sehen.
Als Mutter und als Läuferin wünsche ich mir nichts sehnlicher zurück als die Freiheit, die wir vor Corona hatten. Ich möchte wieder im Pulk der Masse im Startblock stehen und die Aufregung der anderen Läufer spüren. Ich möchte dem Läufer, der kurz vor mir ins Ziel kommt und den ich gar nicht kenne, euphorisch um den Hals fallen. Nur, weil wir es ins Ziel geschafft haben. Ich möchte mich im Zoo vor den Gehegen mit den anderen Menschen drängeln, um die beste Sicht auf die Gorillas oder die Robben zu haben. Auf überfüllten Spielplätzen den Kindern beim unbekümmerten gemeinsamen Toben zusehen.
Und doch habe ich das Gefühl, dass ich darauf noch lange warten muss. Dass das hier ein Marathon ist. Wir sind schon gut unterwegs. Aber wie viele Kilometer haben wir schon geschafft? Laufen wir bald ins Ziel ein und sind jetzt gerade bei Kilometer 35, wo es ganz besonders schmerzt? Wo man aufhören würde, sobald man anhalten würde? Oder sind wir gerade erst losgelaufen? Ich bin unsicher. Und hoffe, dass auch mich bald das große Aufatmen erreicht, das viele jetzt schon spüren.
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